Mark Zuckerbergs neueste Äusserungen, in denen er den Journalismus und Faktenchecker offen als «voreingenommen» bezeichnet, sind nichts weniger als der Höhepunkt eines langen Zermürbungskrieges, den der Tech-Unternehmer auf Facebook gegen den Journalismus führt. Reporter ohne Grenzen (RSF) blickt nun auf ein Jahrzehnt voller Aktionen der Meta-Gruppe zurück, die den professionellen Journalismus und den Zugang zu verlässlichen Informationen kontinuierlich untergraben haben. In zehn chronologischen Punkten zeigt RSF auf, wie der soziale Netzwerkgigant schrittweise eine technische, wirtschaftliche und politische Landschaft aufgebaut hat, die dem Qualitätsjournalismus feindlich gegenübersteht.
Von den Algorithmusänderungen im Jahr 2015 bis zum Medienverbot in Kanada beleuchtet der Überblick von RSF eine kohärente Strategie, die darauf abzielt, professionelle Informationen auf den Plattformen des Konzerns zu marginalisieren. Zuckerberg geht damit einen Weg, der das Grundrecht der Nutzerinnen und Nutzer auf Zugang zu verlässlichen Informationen immer stärker direkt bedroht.
«Mark Zuckerberg hat nie ein Geheimnis um seine eigentlichen Absichten gemacht. Bereits in den Hearings vor dem US-Kongress 2018, bei denen der Meta-Chef kritisch zur russischen Einflussnahme auf Facebook im Kontext der US-Präsidentschaftswahlen 2016 gefragt wurde, blieb er konkrete Antworten schuldig. Es war klar: Er versuchte schon damals, sich der Verantwortung, die er als Chef des Meta-Tech-Imperiums gegenüber der Gesellschaft eigentlich hätte, zu entziehen. Mehr noch: Über die Jahre verdrängte er die Medien und den Journalismus systematisch von seiner Plattform. Dies gefährdet unser Recht auf vertrauenswürdige Informationen und bedroht die Demokratie.»
Valentin Rubin
Policy & Advocacy Manager RSF Schweiz
Zehn Jahre Kampf gegen den Journalismus auf Meta-Plattformen
2015: Weniger Seiten, weniger Medien
Facebook ändert erstmals den Algorithmus seines sozialen Netzwerks, um die Inhalte aufzuwerten, die von den «Freunden» der Nutzerinnen und Nutzer gepostet werden, und nicht mehr diejenigen Inhalte, die von den Facebook-Auftritten von Organisationen, Unternehmen und Medien betrieben werden.
2016: Desinformation erreicht während der US-Wahl einen neuen Höhepunkt
Im Juni 2016 hält Facebook an seiner Logik fest und verstärkt wenige Monate vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen seine Politik der Förderung von Inhalten, die von «Freunden und Familie» der Nutzer veröffentlicht werden. Inhalte von Medienunternehmen werden dadurch zweitrangig, und Desinformation nimmt auf Facebook rapide zu. Laut einer im November 2016 veröffentlichten Umfrage von BuzzFeed News waren damals mehr Falschmeldungen im Zusammenhang mit den US-Wahlen auf der Plattform vorhanden als von journalistischen Medien erstelle Inhalte. Nachdem Meta viel Kritik einstecken muss, startet der Konzern im Dezember 2016 ein Fact-Checking-Programm. und berichtet daraufhin regelmässig über dessen Vorteile.
2018: Die Priorisierung von Inhalten
Eine grosse Änderung, Mark Zuckerberg zuvor ankündigte, wird umgesetzt: Die Sichtbarkeit von Inhalten, die von Medien produziert werden, soll verringert werden. Mit der Begründung, dass sich die Nutzer der Plattform über ein zu grosses Übermass an solchen Inhalten beschweren würden. Und weil sie so weniger Inhalte von Freunden und Familien sähen.
2021: Medienverbot in Australien
2021 übt Facebook starken Druck auf die australische Regierung aus, die gerade dabei ist, ein Gesetz zur Umverteilung der Werbeeinnahmen von Plattformen an die Medien zu verabschieden. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde Facebook die Medien von seiner Plattform sperren und das Teilen von Links verunmöglichen. Am 17. Februar 2021 macht der Konzern seine Drohung wahr. Weniger als eine Woche später gibt die australische Regierung nach und Facebook hebt seine Beschränkungen auf: Facebook ist von jeglicher Umverteilung an die Medien ausgenommen, solange die Plattform nachweisen, dass sie eine ausreichende Anzahl an direkten Vereinbarungen mit Presseverlegern ausgehandelt hat.
2021: Politische, soziale und wahlbezogene Themen sind nicht mehr erwünscht
Ab Februar 2021 beschliesst Meta, politischen, gesellschaftlichen oder wahlbezogenen Inhalten weniger Sichtbarkeit zu geben. So, wie bereits 2018 angekündigt. Dies ist der Beginn einer langen Reihe von Neuerungen, die die damalige Entscheidung bekräftigen und weiter dazu beitragen, dass die Inhalte von Medien mit allgemeinem Interesse weniger sichtbar sind. Laut einer 2024 veröffentlichten Studie der Unternehmen Chartbeat und Similarweb bedeutete die reduzierte Sichtbarkeit der Medien auf Facebook einen Rückgang der Zugriffszahlen von Facebook auf diejenigen der Medien um mehr als 50 % im Vergleich zu 2018.
2023: Meta sperrt Medien in Kanada, droht mit Verbot in Kalifornien und löscht Facebook News in Europa
- Während sich die kanadische Regierung auf die Verabschiedung des Gesetzes C-18 vorbereitet, das Plattformen dazu zwingen würde, Medien für den Wert, den sie für ihre Plattformen erbringen, zu bezahlen, droht Meta damit, Medien von Facebook und Instagram zu sperren, falls das Gesetz jemals verabschiedet werden sollte. Der Konzern macht diese Drohung 2023 schliesslich wahr und hält an dieser Form der Zensur fest – trotz der wachsenden Kritik, dass man auf den Plattformen keine verlässlichen Informationen von Medien zu den damals grassierenden Waldbränden mehr finden kann. Dieses Verbot von Meta wurde bis heute nicht aufgehoben.
- Im Juni 2023 greift Meta erneut auf die Strategie der Erpressung durch Medienverbote zurück: Diesmal richtet sich der Konzern gegen den US-Staat Kalifornien, wo Meta seinen Hauptsitz hat. Wieder wendet sich Meta gegen die Umverteilung von Einnahmen an die Medien.
- Meta kündigt daraufhin an, dass Facebook News, der Nachrichtendienst der Plattform für Mobiltelefone, im Dezember 2023 in Grossbritannien, Frankreich und Deutschland eingestellt werden soll. Dieser Bereich, in dem ausgewählte Inhalte von rund 100 Partnermedien angeboten wurden, stellte einen Versuch dar, Nachrichten von gesellschaftlichem Interesse auf der Plattform aufzuwerten. Auch in den USA und Australien wird das Programm im April 2024 eingestellt. Dieser Schritt markiert eine klare Missachtung von Meta gegenüber zuverlässigem Journalismus.
2024: Abschaffung von CrowdTangle
CrowdTangle, das Tool von Facebook für die öffentliche Beobachtung, war eine der wenigen Möglichkeiten, an Informationen über die Sichtbarkeit von Medieninhalten und Desinformation auf der Plattform zu gelangen. Meta schliesst den Zugang zu diesem Tool und beraubt Forscherinnen und Journalisten eines entscheidenden Mittels, um Desinformation auf der Plattform zu bewerten und die Nutzung von Facebook zu untersuchen. Das Tool wird durch die sogenannte Content Library ersetzt, die von der Gruppe als ähnlich beworben wird. Forscher, die sich auf die Untersuchung sozialer Netzwerke spezialisiert haben, bestreiten diese Ähnlichkeit allerdings.
2025: Mark Zuckerberg «muskifiziert» seine Plattformen
Unter dem Banner der «Meinungsfreiheit» kündigt Mark Zuckerberg in einem fünfminütigen Video auf Facebook und Instagram an, die Partnerschaft mit den Faktencheckern in den USA zu beenden. Er begründet diesen Schritt damit, dass die Medien die Zensur unterstützen würden. Die Faktchecker werden durch «Community Notes» ersetzt, ein kollaboratives, nutzerbasiertes System zur Überprüfung von Informationen, das sich an der Plattform X orientiert. Zuckerberg kündigte ausserdem an, die Strategie der Moderation politischer Inhalte zu überdenken und gleichzeitig die Nutzungsbedingungen für die Äusserung zu sensiblen Themen wie Einwanderung oder Geschlechtsidentität zu lockern. Mark Zuckerberg «muskifiziert» dadurch sein Netzwerk, wodurch das Informationschaos auf den sozialen Medien nur noch verstärkt wird.