In der israelischen Medienlandschaft, in der der Pluralismus zunehmend mangelhaft wird, stellt die Zeitung Haaretz eine Ausnahme dar. Reporter ohne Grenzen (RSF) prangert die zunehmenden Einschüchterungsversuche an, denen die Tageszeitung seit dem 7. Oktober ausgesetzt ist, weil sie über die Auswirkungen des Gaza-Krieges berichtet und die israelische Regierung kritisiert.

Am Morgen des 5. Juni wurde der Glaseingang des Büros der Tageszeitung Haaretz in Tel Aviv von einem unbekannten Mann eingeschlagen. Es handelt sich dabei um den ersten physischen Angriff auf das Medium, ist aber nur der jüngste Einschüchterungsversuch in einer ganzen Reihe von Drohungen. Die linke Tageszeitung, die von Anhängern der israelischen Regierung als „Hamas-Zeitung“ verunglimpft wird, ist seit dem 7. Oktober wegen ihrer kritischen Berichterstattung über den Gaza-Krieg zunehmend unter Druck geraten.

In einem am 5. Juni von der Zeitung veröffentlichten Artikel gab deren Leitung bekannt, dass sie die Polizei kontaktiert hatte, die den Fall verfolgte. Die Sicherheitskameras filmten, wie sich ein Mann näherte und mit einem Metallgegenstand die Scheibe einschlug, bevor er flüchtete. Später am Tag wurde der Jerusalem-Korrespondent von Haaretz, Nir Hasson, zusammen mit dem unabhängigen palästinensischen Journalisten Saif Kwasmi und 15 weiteren palästinensischen Journalisten von jungen Nationalisten, darunter Anhänger der Siedlerbewegung, angegriffen. Sie hatten am „Flaggenmarsch“ in Ostjerusalem teilgenommen, über den die Journalisten berichteten.

Schon einige Tage zuvor, am 30. Mai, hatte der investigative Haaretz-Journalist Gur Megiddo dem Guardian enthüllt, dass er von hochrangigen Vertretern des israelischen Geheimdienstes bedroht worden war. Diese hätten ihn daran gehindert, über die Einschüchterungsversuche des früheren Mossad-Chefs Yossi Cohen gegen die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Fatou Bensouda, vor fast zwei Jahren zu berichten.

Bereits im letzten Jahr, am 23. November 2023, kündigte der israelische Kommunikationsminister Shlomo Karhi auf X seine Entscheidung an, der Regierung einen Vorschlag zu unterbreiten, um die Finanzierung von Haaretz wegen dessen „anti-israelischer Propaganda“ einzustellen. Der Chefredakteur Gideon Levy wurde daneben auch von anderen öffentlichen Personen als „Verräter“ bezeichnet, weil er eine Zeitung betreibe, die „schlimmer als Al-Jazeera“ sei – ein Medium, das im Mai 2024 vom israelischen Kabinett mit der Begründung, es sei ein «Sprachrohr der Hamas»,  zensiert wurde.

«Die Diffamierung und die Angriffe auf Haaretz sind Teil der israelischen Strategie, die freie Berichterstattung über den Krieg in Gaza zu unterdrücken. Eine Strategie, die den Medienpluralismus in Israel weiter zerstört. Haaretz ist eines der wenigen Medien, die israelische Beamte befragen und sie zur Rechenschaft ziehen. Diese unerträgliche Schikane gegen dieses Medium muss sofort aufhören und die Täter müssen strafrechtlich verfolgt werden»

Anne Bocandé, redaktionelle Leiterin RSF 

Die Einschüchterungen gegen Haaretz finden vor dem Hintergrund einer zunehmenden Pressezensur in Israel statt. Das Gesetz verlangt von Journalisten in Israel, dass sie jeden Artikel, der „Sicherheitsfragen“ berührt, vor der Veröffentlichung einem Militärzensor zur Prüfung vorlegen. Laut einer Untersuchung der Online-Nachrichtenseite +972 Magazine im Jahr 2023 hat die israelische Militärzensur die Veröffentlichung von 613 Artikeln durch Medien in Israel untersagt. Damit wurde ein neuer und trauriger Rekord aufgestellt, seit das Magazin 2011 mit der Erhebung der Daten begann. Die Zensoren entfernten darüber hinaus Passagen von 2.703 anderen Artikeln – die höchste Zahl seit 2014.

Israel belegt auf der jährlich von RSF veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit den 101. Platz von 180 Ländern.

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