Am 24. Juli wird der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu vor beiden Kammern des US-Kongresses eine Rede über den Krieg in Gaza und die Partnerschaft zwischen den USA und Israel halten. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Einladung eines Staatschefs, der für die Ermordung von mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten in Gaza verantwortlich ist und der weiterhin internationale Medien daran hindert, über den Krieg vor Ort zu berichten. RSF fordert Präsident Biden und Kongressabgeordnete auf, Druck auf Benjamin Netanjahu auszuüben, damit er das Massaker an Medienschaffenden beendet und den Medien Zugang in den Gazastreifen gewährt.

Seit dem 7. Oktober 2023 haben die israelischen Streitkräfte mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten in Gaza und im Libanon getötet. Mindestens 30 von ihnen wurden bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet  – eine beispiellose Bilanz für die Medienschaffenden, die über den Konflikt berichteten. Die israelische Regierung hält zudem eine Medienblockade über Gaza aufrecht und verhindert die Einreise internationaler Medienschaffenden in die Enklave sowie die Einreise von lebenswichtigen Versorgungsgütern für Journalistinnen und Journalisten in Gaza.

Die Weigerung von Premierminister Netanjahu, klare Massnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten in Gaza zu gewährleisten, sowie die Aufrechterhaltung der Blockade, die israelische, palästinensische und internationale Medien daran hindert, in den Gazastreifen einzureisen, sind abscheuliche Verstösse gegen das Völkerrecht. Netanjahu in Washington trotz der anhaltenden schrecklichen Gewalt und der schweren Einschränkungen für Reporter, die über den Konflikt berichten,  willkommen zu heissen, ist inakzeptabel. Zumindest sollten die Biden-Administration und die Vertreter des Kongresses dafür sorgen, dass die Botschaft klar ist: Netanjahu muss jetzt handeln muss, um die Ermordung von Journalisten zu beenden, und den Medien die Einreise nach Gaza gestatten, damit sie ihre Arbeit erledigen können.

Clayton Weimers
Generaldirektor des US-Büros von RSF

Mehrere Beschwerden beim IStGH eingereicht

Seit dem 7. Oktober 2023 hat RSF drei Klagen beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht – die letzte am 24. Mai –, die Beweise für Kriegsverbrechen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) an Journalisten vorlegen. Mit diesen Beschwerden erneuert RSF seine Forderung an den Ankläger des IStGH, gemäss Artikel 15 des Römischen Statuts vorrangig die von den IDF gegen Journalisten in Gaza verübten Verbrechen zu untersuchen

Medien haben keine Zugangsmöglichkeiten

Während des neunmonatigen Konflikts hat die israelische Regierung internationale Medien daran gehindert, nach Gaza einzureisen – mit Ausnahme einiger Fälle unter Aufsicht der IDF. Das heisst auch, dass israelische und palästinensische Journalisten, die von ausserhalb des Gazastreifens operieren, nicht in diesen einreisen können, um ihre Arbeit frei zu verrichten. Diese Medienblockade stellt ein grosses Hindernis für eine unabhängige Berichterstattung über den Krieg dar und behindert das Recht der internationalen Öffentlichkeit auf Information, insbesondere in Bezug auf die Behandlung der Zivilbevölkerung in Gaza. Die Blockade stellt auch Journalistinnen und Journalisten in Gaza selbst auf eine harte Probe. Sie riskieren ihr Leben, um über den Krieg zu berichten.

Auf seinem eigenen Staatsgebiet hat Israel ein Gesetz erlassen, das die Aktivitäten von Al Jazeera verbietet. Zuvor hatte Israel den Sender aus Katar beschuldigt, das «Sprachrohr der Hamas» zu sein. Darüber hinaus hatte Israel die Journalisten von Al Jazeera als «Terroragenten» bezeichnet. RSF verurteilt diese inakzeptable Entscheidung und hat wiederholt die Aufhebung des Gesetzes gefordert. Obwohl die Biden-Regierung intervenierte, um die sofortige Aufhebung einer ähnlichen Entscheidung Israels zu erwirken, die die Ausrüstung der Nachrichtenagentur Associated Press beschlagnahmen und die Agentur an der Verbreitung ihrer Inhalte hindern sollte, schwiegen US-Beamte überwiegend zum Verbot von Al Jazeera.

Darüber hinaus wurden die Büros der israelischen Zeitung Haaretz verwüstet und ihre Mitarbeiter körperlich attackiert. RSF verurteilt diese zunehmenden Versuche, die Tageszeitung wegen ihrer Berichterstattung über den Gaza-Krieg und ihrer Kritik an der israelischen Regierung einzuschüchtern

Verstösse gegen die Pressefreiheit begannen bereits vor dem aktuellen Krieg

Die Gewalt der israelischen Armee gegen Journalistinnen und Journalisten begann schon lange vor dem 7. Oktober 2023. Im Mai 2022 wurde die Al Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh, die sowohl die palästinensische als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, erschossen, als sie über eine Razzia der israelischen Armee im Westjordanland berichtete. Mehrere unabhängige Untersuchungen haben seitdem bewiesen, dass ein israelischer Soldat auf die Journalistin, die eindeutig als professionelle Nachrichtensprecherin identifiziert war, geschossen hatte. Doch das Verbrechen blieb ungestraft. Am 15. Mai 2021 bombardierten die israelischen Streitkräfte ein Bürogebäude, in dem 23 palästinensische und internationale Medienorganisationen untergebracht waren.

Die US-Regierung lässt die Tötung von Journalistinnen und Journalisten zu

Die Vereinigten Staaten unterstützen Israels Kriegsanstrengungen weiterhin, unter anderem durch direkte Militärhilfe, ohne jegliche Auflagen in Bezug auf die Menschenrechte. US-Regierungsbeamte, einschliesslich Präsident Biden, müssen Premierminister Netanjahu klarmachen, dass die US-Unterstützung für die israelische Armee in Zukunft davon abhängt, dass die USA ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht nachkommen – insbesondere indem sie den Schutz von Journalistinnen und Journalisten gewährleisten und dafür sorgen, dass für Verbrechen Gerechtigkeit geübt wird. Andernfalls werden das Weisse Haus und der Kongress in diesen Konflikt verwickelt, der für die unabhängigen Medien der bislang tödlichste überhaupt ist.

Lesen Sie hier den Brief an US-Präsident Joe Biden, um den Druck auf Netanjahu zu erhöhen

 

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