Während die Amerikaner am Dienstag 5. November an die Wahlurne gehen, fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) die beiden Präsidentschaftskandidaten erneut auf, sich für den Schutz und die Förderung der Pressefreiheit einzusetzen. Wer auch immer gewinnt, wird sich auf den Zehn-Punkte-Plan von RSF stützen können, um die Pressefreiheit in seinem Land zu stärken und die Führungsrolle der USA hinsichtlich der weltweiten Pressefreiheit wiederherzustellen.

Die USA belegen in der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit 2024 den 55. Platz, was einem historischen Absturz um zehn Plätze im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Erosion der Pressefreiheit in den USA ist zum Teil auf das sinkende Vertrauen in die Medien, Drohungen und Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten sowie auf den Stillstand bei Rechtsreformen zurückzuführen.

RSF hat in einem kürzlich erschienenen Bericht auch auf einige lokale Probleme der Pressefreiheit hingewiesen: Der Bericht zeigt gravierende Mängel in der wirtschaftlichen, politischen und sicherheitstechnischen Situation von Medienschaffenden in einigen Swing States auf. Die Wahlergebnisse in diesen Staaten werden die nationale Wahl stark beeinflussen. Die nächste Präsidentin oder der nächste Präsident wird die Möglichkeit haben, diesen Problembereichen Priorität einzuräumen und zu beweisen, dass die USA im Bereich der Pressefreiheit weltweit  eine führende Rolle spielen können.

«Die Amerikanerinnen und Amerikaner können die Pressefreiheit nicht mehr als selbstverständlich ansehen. Der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin muss sich für die Stärkung der Medienfreiheit in diesem Land und auf der ganzen Welt einsetzen. Die Demokratie hängt von einem sicheren, unabhängigen und pluralistischen Journalismus ab. RSF wird sich dafür einsetzen, die nächste Regierung bei der Umsetzung einer ehrgeizigen und konstruktiven Agenda für die Pressefreiheit zu unterstützen. Angefangen mit den zehn Punkten, die im Plan von RSF aufgeführt sind.»

Clayton Weimers
Leiter des Nordamerika-Büros von RSF

Der  Zehn-Punkte-Plan für die Pressefreiheit in den USA, den RSF ausgearbeitet hat, sieht folgende Punkte vor:

  1. Die USA soll sich als weltweit führend in Sachen Pressefreiheit positionieren und Verletzungen der Pressefreiheit anprangern, wo immer sie vorkommen.
  2. Das Land soll sich für die Freilassung von fälschlicherweise inhaftierten US-Journalistinnen sowie für Gerechtigkeit für im Ausland getötete US-Journalisten einsetzen.
  3. Der Pressefreiheit soll in der US-Diplomatie auf bilateraler und multilateraler Ebene Vorrang eingeräumt werden.
  4. Die USA soll mit gutem Beispiel vorangehen, indem das Land regelmässig Pressebriefings abhält, faire und unpolitische Verfahren für die Akkreditierung von Medien einführt und verschiedenen Medien regelmässig Interviews gewährt.
  5. Die Behörden behandeln Journalistinnen und Journalisten sowie weitere Medienschaffende mit Respekt.
  6. Sie bekräftigt öffentlich das Recht und die Notwendigkeit von Medienschaffenden, ihre Arbeit in Sicherheit zu verrichten, einschliesslich der Berichterstattung über Demonstrationen und Proteste.
  7. Die Regierung setzt sich darüber hinaus für die Unterzeichnung des Pressegesetzes ein.
  8. Die USA setzt sich für eine Regulierung der künstlichen Intelligenz (KI) ein, sodass die Verlässlichkeit von Informationen geschützt wird.
  9. Die Regierung schafft den Posten eines US-Sondergesandten für Pressefreiheit oder eines ähnlichen Postens.
  10. Das Spionagegesetz soll reformiert werden und das öffentliche Interesse darin einbezogen werden.
Die Bilanz der Kandidaten

RSF stellte im Juli 2024 fest, dass Vizepräsidentin Kamala Harris zu Fragen der Pressefreiheit noch weitgehend geschwiegen hatte und dass ihre Bilanz in diesem Thema daher an derjenigen der Biden-Regierung gemessen werden müsste. Seitdem hat Harris das Thema Pressefreiheit allerdings aufgegriffen und Trump kritisiert, der gegen «Journalisten, deren Artikel ihm nicht gefallen», vorgehen wolle.

Unter der Biden-Administration wurden darüber hinaus der Journalist Evan Gershkovich und die Reporterin Alsu Kurmasheva – die beide über Monate bzw. Jahre zu Unrecht in Russland inhaftiert gewesen waren – freigelassen. Unter Bidens Regierung gab das Justizministerium zudem wichtige Richtlinien für die lokalen Ordnungskräfte heraus, wie man bei öffentlichen Veranstaltungen angemessen mit Journalistinnen und Journalisten interagieren sollte. Unter Bidens Führung verschlechterte sich die Platzierung der USA auf dem Weltpressefreiheitsindex jedoch weiter, und erhebliche systemische Probleme blieben bestehen.

Der ehemalige Präsident Donald Trump hat seinerseits seine Angriffe auf die Medien verschärft. Laut der Analyse von RSF hat Trump die Medien in den zwei Monaten vor der morgigen Wahl mehr als 100 Mal verbal angegriffen. Er hat auch alarmierende Drohungen ausgesprochen, um kritische Medien mit (Regierungs-)Gewalt zu bestrafen.

RSF hatte im Laufe des Wahlkampfes sowohl Harris› wie auch Trumps Kampagne kontaktiert und vorgeschlagen, sie während der Übergangszeit bis zur Amtseinführung zu treffen und dabei politische Massnahmen zur Stärkung der Pressefreiheit zu diskutieren.

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