In einem Jahr und drei Monaten des Krieges in Gaza hat die israelische Armee mehr als 150 palästinensische Journalisten getötet, darunter mindestens 41 bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Das am 15. Januar geschlossene Waffenstillstandsabkommen sollte Journalisten den Zugang zu dem Gebiet ermöglichen. Reporter ohne Grenzen (RSF) setzt sich weiterhin dafür ein, dass allen Journalisten, die Opfer dieses Krieges geworden sind, Gerechtigkeit widerfährt.

Das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas am 15. Januar unterbricht den mehr als 15 Monate dauernden Krieg, der Palästina zum gefährlichsten Gebiet der Welt für Journalisten gemacht hat, so die RSF-Bilanz 2024. Im Rahmen ihrer Offensive im Gazastreifen, die nach dem tödlichen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begann, tötete die israelische Armee in der belagerten palästinensischen Enklave mehr als 150 Journalisten, davon mehr als 41 bei der Ausübung ihres Berufs.

«Erst letzte Woche wurde Saed Abu Nabhan, ein weiterer palästinensischer Journalist nahe des Nuseirat-Flüchtlingscamps im Gazastreifen, getötet. Trotz dieser Gefahren machen die verbliebenen Medienschaffenden weiterhin ihren Job unter schwierigsten Bedingungen. Sie informieren uns und die Welt als einzige über den Krieg, da ausländische Medienschaffende nach wie vor nicht in den Gazastreifen einreisen können. Nicht umsonst haben wir im letzten September in Genf vor den Vereinten Nationen unsere Solidaritätsaktion durchgeführt, mit dem Slogan: ‹Wenn weiterhin so viele Medienschaffenden in Gaza getötet werden, gibt es bald niemanden mehr, der uns über den Krieg informieren kann.»

Valentin Rubin
Policy & Advocacy Manager RSF Schweiz

Photo: Perihan Kaya

«Seit fünfzehn Monaten werden Medienschaffende in Gaza von der israelischen Armee vertrieben, ausgehungert, verleumdet, bedroht, verletzt und getötet. Trotz dieser Gefahren haben sie die Bevölkerung der Enklave und die Welt weiterhin informiert, während ihre ausländischen Kollegen nach wie vor keinen Zugang zu dem Gebiet hatten. Nach dem jetzigen Waffenstillstandsabkommen ist die Arbeit der lokalen und internationalen Berichterstatter entscheidender denn je. Sie wird die der Justiz begleiten. Dazu müssen internationale Medienschaffende so schnell wie möglich unabhängigen Zugang zum belagerten Gebiet erhalten. Um die schreckliche menschliche Bilanz dieses Krieges nicht zu vergrössern, müssen die israelischen Behörden dringend die Einweisung des Journalisten Fadi al-Wahidi in ein Krankenhaus ausserhalb des Gazastreifens genehmigen. RSF hat seit dem 7. Oktober 2023 vier Klagen beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag eingereicht und wiederholt heute den Aufruf an das Gericht, die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen gegen Medienschaffende in Gaza zu verfolgen. Wir werden unsere Bemühungen zur Unterstützung des Journalismus in der Enklave weiterhin fortsetzen.»

Thibaut Bruttin
Generaldirektor von RSF

Der Al-Jazeera-Journalist Fadi al-Wahidi, der am 9. Oktober 2024 bei einer Reportage im Lager Jabalia im Norden des Gazastreifens schwer verletzt wurde, kämpft noch immer um sein LebenDer Grund: Die israelischen Behörden verweigern trotz wiederholter Appelle von RSF weiterhin seine Verlegung in ein Krankenhaus im Ausland verweigern. Zwei weitere palästinensische Fotojournalisten, Haytham Abdel Wahed und Nidal al-Wahidi, werden seit dem 7. Oktober 2023 vermisst.

Unermesslicher Bedarf für den Wiederaufbau der Medien

In Zelten, die sie in der Nähe von Krankenhäusern errichtet hatten, um Strom und Internetanschluss zu erhalten, bauten die Journalisten in Gaza ihre Redaktionsräume wieder auf. Inmitten einer trostlosen Landschaft setzten sie ihre Arbeit fort, um die Welt mit Informationen zu versorgen. Wenn der Waffenstillstand in einen dauerhaften Frieden übergeht, wird der Wiederaufbau der Infrastruktur für die Medien in Gaza erhebliche Ressourcen erfordern.

Dieser Wiederaufbau wird nicht ohne konkrete Massnahmen zur Bekämpfung der Straflosigkeit der von Israel seit über einem Jahr begangenen Verbrechen möglich sein. Am 24. September 2024 reichte RSF die bereits vierte Klage beim IStGH wegen Kriegsverbrechen ein, die die israelische Armee in Gaza gegen Journalisten begangen hat. Eine erste Klage war bereits am 1. November 2023 eingereicht worden.

Verhaftungen im Westjordanland, Druck in Israel

Im Schatten der israelischen Offensive in Gaza griffen im Westjordanland israelischen Behörde und Siedler durch. Auch die Medien blieben davon nicht verschont. Laut der RSF-Jahresbilanz 2024 haben die Verhaftungen palästinensischer Journalisten im Westjordanland Israel zu einem der weltweit grössten Gefängnisse für Medienschaffende gemacht. Nur China und Myanmar haben noch mehr Medienschaffende inhaftiert als Israel.

Die Kriegslage bot der rechtsextremen israelischen Regierung darüber hinaus die Möglichkeit, ihren Griff auf die Medienlandschaft zu festigen. In einem Gastbeitrag, der auf Haaretz, The Seventh Eye und Le Monde veröffentlicht wurde, kritisierte RSF die geplanten verschärften Mediengesetze sowie die Einschüchterung von israelischen Journalisten, die die Regierung kritisieren.

Partagez cet article !