Das Weltwirtschaftsforum WEF in Davos hat in seinem Global Risk Report 2025 zum zweiten Mal in Folge Desinformation als eines der grössten kurzfristigen Risiken für die Gesellschaft eingestuft. RSF teilt diese Einschätzung. Wir fordern darum Werbetreibende auf, ihre Verantwortung angesichts der Bedrohung des Zugangs zu verlässlichen Informationen und des Qualitätsjournalismus durch die großen Technologieplattformen, die vor allem von Elon Musk und Mark Zuckerberg verkörpert werden, zu übernehmen.
Laut dem Global Risks Report 2025 des Weltwirtschaftsforums erwarten 52% der befragten Expertinnen und Experten eine instabile globale Situation, in der Desinformation als die grösste kurzfristige Bedrohung eingestuft wird. Diese könnte sich als eine bedeutende destabilisierende Kraft erweisen, welche die Stimmabgabe bei Wahlen beeinflussen, Unsicherheiten in Konfliktgebieten verschärfen und den wirtschaftlichen Ruf zahlreicher Länder schädigen könnte. Durch das Aufkommen generativer künstlicher Intelligenz könnten diese Tendenzen zudem weiter verstärkt werden. RSF Schweiz unterstützt den Befund des Berichts und wird diese Thematik weiter vertiefen. Denn Desinformation zirkuliert auf den Sozialen Medien massiv. Und die Macht dieser Online-Plattformen hängt zu einem sehr grossen Teil von Werbeeinnahmen ab.
Die Werbung auf sozialen Plattformen wird von der Meta Group beherrscht, die laut der Agentur WARC im Jahr 2024 63% der Werbeausgaben in diesem Markt erhalten hat. Dank dieses Geldsegens ist die Gruppe ein Wirtschaftsimperium, das die Art und Weise, wie seine Nutzer auf Informationen zugreifen, neu gestaltet. Meta-Chef Mark Zuckerberg lancierte am 7. Januar diesen Jahres für sein Unternehmen eine besorgniserregende, journalismusfeindliche Flucht nach vorne, als er das Ende des Fact-Checking-Programms auf den Meta-Plattformen in den USA ankündigte.
«Die Plattformen haben kaum einen Wert ohne die Werbebudgets der Werbetreibenden: Es ist deren Geld, das sie so mächtig gemacht hat. Die Risiken für den Zugang zu Informationen und für den Ruf dieser werbenden Unternehmen werden immer grösser. Wir fordern sie darum auf, ihre Verantwortung zu übernehmen und Druck auf die Plattformen auszuüben, damit diese den Zugang zu Informationen und die Verbreitung von journalistischen Inhalten innerhalb der Plattformen schützen. Eine Möglichkeit wäre, von den Plattformen zu verlangen, dass sie vertrauenswürdige Informationsquellen durch Qualitätsstandards wie die Journalism Trust Initiative aufwerten.»
Vincent Berthier
Leiter des Büros für Technologie und Journalismus bei RSF
Die Politik der grossen Plattformen wie Meta oder X gegenüber den Medien hat sich zu einem regelrechten Zermürbungskrieg gegen den Journalismus entwickelt. RSF fordert die Werbetreibenden darum dringend auf, ihren Einfluss zu nutzen, um die Plattformen, angefangen bei der Meta-Gruppe, zum Umdenken zu bewegen. Dies kann über folgende Wege geschehen:
- Vertrauenswürdige Informationsquellen aufwerten: Es ist zwingend erforderlich, dass die Algorithmen der Plattformen Inhalte von Medien bevorzugen, die strenge Kriterien für die journalistische Arbeit, wie sie etwa von der Journalism Trust Initiative (JTI) definiert wurden.
- Unterscheidung zwischen Journalisten und Influencern: Influencer, die keine Inhalte mit Informationen von öffentlichem Interesse, zuverlässigen und unabhängigen Informationen produzieren, dürfen nicht mit den Medien oder anderen Herausgebern von journalistischen Informationen verwechselt werden. Die Aufgabe letzterer ist es nämlich, Informationen von öffentlichem Interesse nach klaren ethischen Standards zu produzieren. Es ist notwendig, Inhalte klar nach ihrer Herkunft zu unterscheiden und Influencern spezifische Bedingungen zu stellen, welche sie zu mehr Transparenz und Verantwortung gegenüber ihrem Publikum und ihren Kunden verpflichtet.
- Unterscheidung zwischen «Deepfakes» und authentischen Inhalten: Die Meldung von durch künstliche Intelligenz erzeugten Inhalten ist ein erster Schritt, um sogenannte «Deepfakes» zu bekämpfen. Das allein reicht aber noch nicht aus. Echte, journalistische Inhalte müssen ebenfalls hervorgehoben und als solche gekennzeichnet werden. Darüber hinaus müssen diese einen algorithmischen Vorteil erhalten, insbesondere bei Themen, die mit Wahlen und gesellschaftlichen Themen in Verbindung stehen. So können sie in Suchmaschinen und auf Sozialen Medien besser sichtbar gemacht werden.
Die meisten der heutigen digitalen Tech-Firmen stehen bereits in den Startlöchern, um grosse Player im Bereich der generativen KI von morgen zu werden. Ihre Strategie ist besorgniserregend: Sie nutzen die auf ihren Plattformen verbreiteten Inhalte, um neue Produkte und Dienstleistungen auf der Grundlage generativer KI zu entwickeln, die dann wiederum neue Inhalte für dieselben Plattformen produzieren. Werbetreibende müssen verlangen, dass diese Systeme ethisch konzipiert sind und dafür sorgen, dass sie qualitativ hochwertige Informationen in den Vordergrund stellen.
Diese Entwicklungen sind auch für die Schweiz in höchstem Masse relevant. Der Zugang zu verlässlichen Informationen ist das Herzstück unserer direkten Demokratie. Der Bericht aus dem Global Risk Report des WEF ist auch für die Schweiz beunruhigend – nicht zuletzt, weil wir vier Mal im Jahr auf nationaler und lokaler Ebene über komplexe politische Fragen abstimmen. Grosse, digitale Plattformen, die sich hauptsächlich durch Werbung finanzieren, tragen dabei eine erhebliche Verantwortung im Informationsfluss. RSF Schweiz fordert darum in gleichem Masse auch Schweizer Unternehmen auf, ihre Werbeausgaben an die Einhaltung hoher Qualitätsstandards zu knüpfen.