Die Schweiz belegt in der heute von Reporter ohne Grenzen (RSF) veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit 2022 den 14. Platz von 180 Ländern. Im Vorjahr lag sie noch auf Platz 10. Dieser Rückgang ist hauptsächlich auf eine in diesem Jahr vorgenommene methodische Änderung zurückzuführen und sollte nicht überinterpretiert werden. Doch der von RSF verwendete Wirtschaftsindikator, der insbesondere die Medienvielfalt misst, hat dieses Ergebnis stark beeinflusst. Auch das gesetzliche Umfeld zeigte Lücken, und am Rande der Corona-Krise entstand ein beispielloses Klima der Feindseligkeit und Einschüchterung gegenüber den Medien, das bis dahin weitgehend unbekannt war und von verbaler und manchmal auch physischer Gewalt gegen Medienschaffende geprägt war.

Mit diesem 14. Platz gehört die Schweiz nun zu den Ländern, in denen die Lage der Pressefreiheit als «eher gut» eingestuft wird, nachdem sie seit 2016 in den Top Ten der Rangliste gewesen war. Dennoch bleibt die Schweiz für Medienschaffende ein sicheres Land, in dem das politische Umfeld weiterhin günstig ist und sicherstellt, dass sie frei von Regierungs- und Parteidruck arbeiten können.

Die Schweizer Medienlandschaft bleibt jedoch im Moment ohne Lösung den umfassend dokumentierten Entwicklungen ausgesetzt, die Bundesrat und Parlament dazu veranlasst hatten, mit dem «Massnahmenpaket für die Medien» eine Aufstockung der staatlichen Medienförderung vorzuschlagen: unaufhaltsame Verringerung der Titelvielfalt und stetig sinkende Einnahmen. Die Ablehnung des Medienpakets in der Volksabstimmung vom 13. Februar lässt die Frage ungelöst, wie eine Situation langfristig geregelt werden kann, deren Auswirkungen auf die Information der Bürgerinnen und Bürger sowie auf die Qualität der öffentlichen Debatte – vor allem auf lokaler Ebene – besorgniserregend sind. RSF Schweiz fordert die öffentlichen Behörden, insbesondere in den Kantonen, auf, das Dossier wieder aufzunehmen und dauerhafte Lösungen für die Medienlandschaft zu fördern.

Auch im gesetzlichen Rahmen, der für die Medien in der Schweiz gilt, sind Schwachstellen erkennbar. Die Zunahme der zivilrechtlichen «vorsorglichen Massnahmen», die gegen Medien beantragt und häufig auch erreicht wurden, hat gezeigt, dass auch die Schweiz nicht vor sogenannten «Knebelverfahren» gefeit ist, mit denen legitime Publikationen von allgemeinem Interesse verhindert werden sollen. Dass der Ständerat im vergangenen Jahr und die Nationalratskommission Anfang dieses Jahres einer Verschärfung dieser Massnahmen gegen die Medien zustimmten, ohne dass eine seriöse Studie die Notwendigkeit dafür belegt hätte, hat ein falsches Signal gegeben. Zudem hat die Affäre um die «Suisse Secrets» die Bedrohung der Informationsfreiheit durch die Strafbestimmungen zum Bankgeheimnis aufgezeigt. In diesen beiden Punkten wiederholt RSF Schweiz seine Appelle an das Parlament, die Pressefreiheit vollumfänglich zu respektieren und die Gesetze entsprechend anzupassen.

Das Jahr 2021 war im Zusammenhang mit der Corona-Krise auch durch den plötzlichen Anstieg verbaler und in einigen Fällen auch physischer Angriffe auf Medienschaffende gekennzeichnet, insbesondere bei Demonstrationen von Gegnern der von den Behörden verordneten Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Das Ausmass dieser Einschüchterungen und Gewalttätigkeiten hat auch die Medienschaffenden überrascht und beunruhigt. Unsere Organisation hofft, dass derartige Handlungen mit dem Ende der Pandemie verschwinden. Sie hat sie stets verurteilt und die Behörden aufgefordert, die Täter umgehend und streng zu verfolgen und zu verurteilen.

 

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