Bei Polizeieinsätzen kommt es hie und da zu Konflikten mit Medienschaffenden – und dabei geht es manchmal um die Pressefreiheit: Hier die Journalisten, die ihrer Arbeit gemäss die Situation verfolgen und dokumentieren, dort die Polizei, die das verhindern will.

So filmte etwa der freie Journalist Benjamin von Wyl am 12. September auf dem Heimweg von der Arbeit eine Kontrolle der Basler Stadtpolizei in Kleinbasel, bei der mehrere Personen festgehalten wurden. Diese, so von Wyl, hätten geschrien, sie würden ihrer Hautfarbe wegen festgehalten, deshalb habe er gefilmt. Die Polizei habe einige der Kontrollierten verhaftet. Er sei von den Polizisten aufgefordert worden, mit dem Filmen aufzuhören und wegzugehen. «Ich habe ihnen gesagt, dass ich Journalist bin. Einer von ihnen antwortete ‚Nein sind Sie nicht‘ darauf», so von Wyl: «Kurz darauf ist mich ein anderer Polizist angegangen und hat mich als ‚Vollidiot‘ und ‚Trottel‘ beschimpft.»

RSF Schweiz hat daraufhin beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt nachgefragt. Schliesslich ist es in der Schweiz grundsätzlich allen Personen erlaubt, Polizeieinsätze filmisch zu dokumentieren. Insbesondere Journalistinnen und Journalisten dürfen Polizisten bei einem Einsatz filmen, wenn sie diese dabei nicht behindern. Weshalb also wurde von Wyl aufgefordert, das zu unterlassen?

Keine «Sonderbehandlung» für Medienschaffende

«Da das Dokumentieren eines Einsatzes grundsätzlich allen Personen erlaubt ist, gewährt der Ausspruch ‚Ich bin Journalist‘ während eines Einsatzes keine Sonderbehandlung», so die Antwort von Mediensprecher Toprak Yerguz: «Dasselbe gilt bei den Pflichten: Alle Personen sind angehalten, polizeilichen Anweisungen, namentlich das Einhalten eines Abstands, zu folgen – auch Journalisten.» Die Kantonspolizei Basel-Stadt stosse bei ihren Einsätzen häufig auf gezückte Kameras und schule die Polizistinnen und Polizisten entsprechend; sie würden auch darauf hingewiesen, dass Polizeieinsätze gefilmt und fotografiert werden dürften. Vor Ort werde aber dabei die Persönlichkeit der kontrollierten, verletzten oder festgenommenen Person in aller Regel widerrechtlich verletzt. Deshalb dürften Polizistinnen und Polizisten Passanten anweisen, von Aufnahmen abzusehen und schon bestehende Bilder zu löschen. Ausserdem: «Wird durch das Verhalten der filmenden oder fotografierenden Person zusätzlich der polizeiliche Einsatz gefährdet oder behindert, so kann eine Wegweisung nach Artikel 42 des Polizeigesetzes geprüft werden.»

Auf die Fragen von RSF, wie das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt zu den verwendeten Ausdrücken «Vollidiot» und «Trottel» seitens der Polizei Stellung nehme, ob der Vorfall in der Kantonspolizei besprochen worden sei und ob er irgendwelche Konsequenzen habe, antwortete Yerguz: Der betroffene Mitarbeitende habe im Nachgang seinem Vorgesetzten die Situation aus seiner Sicht geschildert. Er habe geltend gemacht, dass namentlich am Freitag und am Samstag in der Nacht auf den Folgetag viel Partyvolk auf den Strassen sei, dem das Ohr für leise Zwischentöne fehle: Die Polizei müsse deutlich sprechen. «Sein Vorgesetzter hat ihn daran erinnert, dass selbst bei deutlichen Formulierungen sprachliche Übergriffe nicht toleriert werden können», so Yerguz.

Schliesslich fragte RSF Yerguz noch, ob es Richtlinien über den Umgang mit Medienschaffenden der Kantonspolizei Basel-Stadt gebe, und, falls ja, ob diese öffentlich zugänglich seien. «Eine öffentlich zugängliche Richtlinie gibt es nicht», so die Antwort von Yerguz.

Gibt es Richtlinien für den Umgang mit Journalistinnen und Journalisten?

Ob es öffentlich zugängliche Richtlinien für den Umgang der Polizei mit Medienschaffenden gebe, fragte RSF Schweiz auch die Berner Kantonspolizei. Denn auch hier kam es zu Szenen, die RSF Schweiz zu Nachfragen veranlasste: Petar Marianović, Journalist bei watson.ch, war am 22. September in Bern bei der Arbeit. Neben der Klimakundgebung auf dem Bundeshausplatz fand auch eine «Stop Isolation»-Demonstration statt; die Polizei versuchte diese vom Bundesplatz fernzuhalten. «Deshalb gab es eine Art Sperre», so Marianović, «und ich war mit mehreren anderen Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite der Sperre als die Demonstranten, ungefähr zwei bis vier Meter entfernt von der Polizei.» Die Polizisten hätten die rund zehn Medienschaffenden, die sich alle mit einem Presseausweis gekennzeichnet hätten, dann mehrmals «freundlich» angewiesen, wegzugehen, so Marianović, und sie auch «ein bisschen herumgestossen». Er habe dann mehrfach die Medienstelle der zuständigen Kantonspolizei angerufen und dort darum gebeten, die Medienschaffenden ihrer Arbeit nachgehen zu lassen, aber «das hat nichts genützt». Ein Vertreter der Medienstelle sei dann kurz vorbeigekommen: «Aber das Gespräch ergab inhaltlich nichts, er kommentierte meine Forderung, wonach Polizisten und Polizistinnen uns nicht behindern sollten, nicht.»

Er habe dann den Polizisten vor Ort gesagt: «Ich bin hier auch am Arbeiten, ich behindere ihre Arbeit nicht, ich halte Distanz, hier ist mein Presseausweis. Wenn Sie mich weghaben wollen, müssen Sie mich schon wegweisen.» Daraufhin habe ein Polizist seine Koordinaten aufgenommen und ihm formell die Wegweisung eröffnet. Als er sich wegbegeben habe, habe es noch einen Tumult gegeben – aber nicht der Journalisten wegen: «Es gab eine Auseinandersetzung zwischen Polizisten und zwei Passanten. Eine Kollegin von einer grossen Tageszeitung wollte die Szene filmen, doch ein Polizist hat seine Hand auf ihre Kamera gedrückt, um sie am Filmen zu hindern.»

«Wir halten fest, dass sich während des Einsatzes ein einziger Journalist auf der Medienstelle meldete. Ein Mediensprecher war vor Ort und nahm mit dem betreffenden Journalisten persönlich Kontakt auf», antwortet Christoph Gnägi, Chef der Medienstelle der Kantonspolizei Bern, auf die entsprechenden Fragen von RSF, und: «Wir versuchen alles, um Journalisten eine objektive Berichterstattung zu ermöglichen. Aber auch sie müssen sich an Polizeianweisungen und -absperrungen halten.» Detailliertere Auskünfte gibt es nicht, denn, so Gnägi: «Für alles Weitere verweisen wir auf einen hängigen politischen Vorstoss, dessen Beantwortung wir nicht vorgreifen wollen.»

Interpellation im Berner Grossen Rat

Tatsächlich ist aktuell im Berner Grossen Rat aktuell eine Interpellation von Christa Ammann (Alternative Linke) und Tanja Bauer (SP) zum Umgang der Berner Kantonspolizei am 22. September mit den Medienschaffenden hängig. Und offenbar gehört nach Einschätzung der Kantonspolizei zu diesem hängigen politischen Vorstoss, «dessen Beantwortung wir nicht vorgreifen wollen» auch die Antwort auf die Frage von RSF, ob es Richtlinien der Kantonspolizei Bern über den Umgang mit Medienschaffenden gebe, und, falls ja, ob sie öffentlich seien. «Wie ich ausgeführt habe, wollen wir der Beantwortung des hängigen politischen Vorstosses nicht vorgreifen. Auch die letzte Frage spielt hier hinein», so Gnägi auf eine entsprechende Nachfrage von RSF.

«Die durch diese Vorfälle aufgeworfenen Fragen sind wichtig und verdienen es, in allen Kantonen geklärt zu werden», sagt Denis Masmejan, Generalsekretär von RSF Schweiz, der auch Dozent für Medienrecht an der Universität Neuenburg ist: «Grundlegend ist, dass die Medienvertreter ihre Rolle als Zeugen so nah wie möglich am Geschehen ausüben können sollten. Der in der Schweiz geltende verfassungsrechtliche Rahmen garantiert dies prinzipiell. Die verschiedenen polizeilichen Praktiken, ob sie nun durch interne Richtlinien geregelt sind oder nicht, dürfen diese notwendige Informationsarbeit nicht behindern. RSF Schweiz wird weiterhin sehr aufmerksam auf diese Probleme achten.»

Bettina Büsser, Koordinatorin Deutschschweiz von RSF Schweiz

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe von Dezember 2020 des RSF-Schweiz-Newsletters veröffentlicht

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