Das Schicksal von Julian Assange steht auf der Kippe: Der britische High Court wird diese Woche über den letzten möglichen Berufungsantrag des WikiLeaks-Gründers gegen seine Auslieferung an die USA entscheiden. Dort ist Assange unter dem Spionagegesetz angeklagt. Diese Anhörung bedeutet den Anfang vom Ende des Auslieferungsverfahrens gegen ihn. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Reporter ohne Grenzen (RSF) wird die Anhörung vor Ort im Gericht beobachten und wiederholt den dringenden Appell an die US-Regierung, das Verfahren gegen Assange einzustellen und ihn unverzüglich freizulassen.

Am 20. und 21. Februar entscheidet ein Gremium aus zwei Richtern über Assanges letzte Berufung gegen den von der damaligen britischen Innenministerin Priti Patel im Juni 2022 unterzeichneten Auslieferungsbefehl. Unterstützerinnen und Unterstützer von Assange bezeichnen die Anhörung als „Tag X“. Sie leitet die letzte Etappe in seinem Auslieferungsverfahren in Grossbritannien ein, da von den Richtern in der Berufung abgelehnte Punkte dort nicht wieder vor Gericht gebracht werden können. Damit rückt die Auslieferung von Assange gefährlich nahe.

«Alle Augen sind bei dieser schicksalhaften Anhörung auf den High Court des Vereinigten Königreichs gerichtet. Es bleibt abzuwarten, ob die britische Justiz für eine gewisse Form von Gerechtigkeit sorgt, indem sie die Auslieferung von Assange verhindert», sagt Rebecca Vincent, Direktorin für Kampagnen von RSF International: «Es liegt aber in der Macht der US-Regierung, diese juristische Tragödie zu beenden, indem sie ihr 13 Jahre altes Verfahren gegen Assange einstellt und diese endlose Verfolgung beendet. Niemand sollte so behandelt werden, weil er Informationen im öffentlichen Interesse veröffentlicht. Es ist an der Zeit, den Journalismus, die Pressefreiheit und unser aller Recht auf Wissen zu schützen. Es ist an der Zeit, Assange jetzt freizulassen.»

Das Gericht wird seine Entscheidung wahrscheinlich erst einige Wochen nach der Anhörung bekanntgeben. Akzeptiert das Gericht einige oder alle Berufungsgründe von Assange, könnte eine weitere Anhörung stattfinden. Werden alle Gründe abgelehnt, könnte Assanges Auslieferung unmittelbar bevorstehen. Dann bleibt ihm nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Anhörung hat für viel Aufsehen gesorgt. Die internationale Aufmerksamkeit für den Fall Assange hat zugenommen, und es wurden zahlreiche Forderungen nach seiner Freilassung laut, von Menschenrechtsorganisationen über Journalist*innen und Medienorganisationen bis hin zu politischen Entscheidungsträgern in der ganzen Welt, auch in Assanges Heimatland Australien. Die UNO-Sonderberichterstatterin für Folter, Alice Jill Edwards, hat sich dem Aufruf an Grossbritannien angeschlossen, die bevorstehende Auslieferung von Assange zu stoppen, da ernste Risiken für die psychische Gesundheit von Assange und Selbstmordgefahr bestehen. RSF wiederholt seine Warnung, dass die strafrechtliche Verfolgung von Assange alarmierende Auswirkungen auf die Zukunft des Journalismus hätte und einen noch nie dagewesenen Schlag gegen die Pressefreiheit darstellen würde.

Trotz umfangreicher Hindernisse für eine Beobachtung hat RSF als einzige Nichtregierungsorganisation das gesamte Auslieferungsverfahren vor den britischen Gerichten in den letzten vier Jahren verfolgt. Auch am Tag X wird RSF vor Gericht erscheinen. Die Organisation hat ausserdem kürzlich öffentlich über eine Reihe von Besuchen bei Assange im Belmarsh-Gefängnis von August 2023 bis Januar 2024 berichtet. Im April 2023 wurde RSF-Generalsekretär Christophe Deloire und Kampagnendirektorin Rebecca Vincent in letzter Minute willkürlich ein bereits genehmigter Besuch im Gefängnis verweigert.

Bei einer Auslieferung an die USA drohen Julian Assange bis zu 175 Jahre Haft. Washington hat ihn wegen der Veröffentlichung von hunderttausenden geleakten Geheimdokumenten durch WikiLeaks im Jahr 2010, darunter Beweise für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, in 18 Punkten angeklagt. Assange wäre der erste Herausgeber, dem in den USA nach dem Spionagegesetz der Prozess gemacht wird. Dieses aus dem Jahr 1917 stammende Gesetz erlaubt es den Angeklagten nicht, zu ihrer Verteidigung vorzubringen, dass sie im öffentlichen Interesse gehandelt haben.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Vereinigte Königreich auf Platz 26, die USA belegen Platz 45 von 180 Staaten.

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